Ich habe mich hier lange nicht gemeldet. In den letzten Wochen hat es sich fast überschlagen und ich hatte Mühe, das Tempo gedrosselt zu halten und dem Parkinson die Gelassenheit zu bieten, die er brauchte.

Der Höhepunkt war die vergangene Woche. Ich hatte einen Arbeitseinsatz in Ghana und keinen blassen Schimmer, wie der Parkinson darauf reagieren würde. Ein Filmteam sollte eine Dokumentation über ein Wasserprojekt in einem kleinen Dorf drehen und ich musste darauf achten, dass der Drehplan eingehalten wurde, Motive diskutieren, Interviews führen, Hühner und Ziegen verjagen und einiges mehr. Wir hatten einen sehr engen Zeitplan.

Es war Trockenzeit in Ghana, also die heißeste Zeit im Jahr. Wir hätten aber Glück, wurde uns gesagt, es war für die Jahreszeit außergewöhnlich kühl. OK, das half 32 Grad im Schatten und 98 Prozent Luftfeuchtigkeit ein bisschen besser auszuhalten. Es ist halt, wie so vieles, nur eine Frage der Perspektive.

Zum Glück war ich nicht alleine unterwegs, die Aufgaben verteilten sich auf mehrere Schultern und ich hatte Gelegenheit, mich zwischendurch im Schatten eines Baumes auszuruhen, die Atmosphäre auf mich wirken zu lassen und zu schauen, dass mit Herrn Parkinson alles in Ordnung ist.

Mr. P glänzte mit Abwesenheit. Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. Mein Tremor war selbst für mich kaum noch zu spüren. Mein linkes Bein, das sich sonst schwach und wie ein Fremdkörper anfühlte, war wieder kräftig und Eins mit dem Rest meines Körpers. Steifigkeit und Schmerzen, alles wie weg geblasen. Ich zerbrach mir den Kopf darüber, woran das wohl liegen mochte, gab aber nach einer Weile auf und beschloss, diese Pause von meinem ständigen Begleiter einfach zu genießen.

Es gab so vieles zu sehen: Tollende Kinder, Frauen, die alles, was schwer oder sperrig war, auf dem Kopf trugen: Riesige Aluminium-Schüsseln, randvoll mit Wasser, Türme von Gebäck, die Ernte vom Feld, eine Nähmaschine. Die Frau der Elektrizitätsgesellschaft saß auf einem Hocker vor einer gelb gestrichenen Kiste im Schatten eines Baumes und sammelte die Stromgebühren ein. Überall Musik. Und wo Musik war, wurde mindestens mit dem Fuß gewippt.


Bei näherem hinschauen kommt der tägliche Kampf mit der Armut zutage. Ich sprach mit einer Frau, alleinerziehend, mit drei Kindern zwischen 5 und 12 Jahre alt. Sie baut auf ihrem kleinen Feld Cassava und Mais an und verkauft die Ernte einmal in der Woche auf dem Markt im nächstgrößeren Ort. Wenn der Ertrag für den Markt nicht ausreicht, kauft sie noch etwas in ihrem Dorf dazu. Ihr Gewinn? An guten Tagen 50 Ghanaische Cedi (8 Euro) und an schlechten Tagen 20 Cedi (3 Euro). Das muss für den Rest der Woche reichen. Ich schaue im kleinen Dorfladen nach Preisen. Eine kleine Tüte Waschmittel (reicht für eine Ladung Wäsche) kostet 1,30 Cedi. Ein Kaffee 0,30 Cedi und ein Döschen Kakaobutter für die Haarpflege ganze 45 Cedi.

Ein Mann, der gerade Lehmziegel für seine neue Latrine herstellt, will mich seiner Mutter vorstellen, eine sehr alte Dame. Sie ist schlank und groß, sitzt aufrecht auf einer Bank und blättert in der Bibel. Der Schalk blitzt aus ihren Augen, als sie mir die Hand gibt. Ich erwähne, dass ich aus Deutschland bin. Sie lacht und sagt, sie hätte deutsche Vorfahren. Das ist aber lange her, sie wedelt mit den Armen, um zu zeigen, wie lange das her ist und kippt fast von der Bank. Ihre Enkelin, die bei der Übersetzung hilft, fängt ihre Großmutter lachend auf. Später frage ich meinen lokalen Kollegen, ob das sein kann. Klar, sagt er, die Familie stammt aus der Volta-Region, einer ehemaligen deutschen Kolonie.

Das Filmteam lässt eine Drohne steigen, um Aufnahmen aus der Höhe zu machen. Sofort sind die Kinder zur Stelle und rennen laut rufend hinter ihr her, wirbeln mit ihren nackten Füßen jede Menge Staub auf. In Ghana herrscht Schulpflicht und fast alle Kinder in diesem Dorf gehen zur Schule. In der Schule gibt es Mittagessen: Reis, Gemüse und Soße. Ein Grund mehr, seine Kinder zur Schule zu schicken, denn hier gibt es in der Regel nur zwei Mahlzeiten am Tag.


Bevor es zurück ins Hotel geht, werden noch letzte Aufnahmen am Brunnen gemacht. Eine Frau lässt 15 Liter Wasser in eine große silberne Schüssel laufen. Es braucht zwei weitere Frauen, um ihr die volle Schüssel auf den Kopf zu hieven. Das ist verdammt harte Arbeit für die grundlegendsten Dinge des Lebens. Ich beobachte nachdenklich ein kleines Mädchen, das mit einer kleinen Wasserflasche auf dem Kopf um die Ecke verschwindet.

Einen Nachtflug und 35 Grad Temperaturunterschied später, sitze ich in meinem Wohnzimmer auf dem Sofa und schaue mir Fotos von der Reise an. Das Telefon klingelt, ich will flink aufspringen und bleibe mitten in der Bewegung stecken.

Hallo Herr Parkinson, da bist du ja... leider....