Was habe ich mich gefreut, als ich entdeckte, dass es hier Kurse zu Tanz und Parkinson gibt. Ich nahm sofort Kontakt zur Kursleiterin Lena Klein auf und sie lud mich ein, probehalber mitzumachen. Das Angebot nahm ich sehr gerne an und erlebte eine tolle Stunde zusammen mit der lustigen Parkinson Truppe. Im Anschluss führten Lena und ich ein spannendes Gespräch über Tanz mit Parkinson und ihre Motivation, den Tanz und ihre Lebensfreude mit den Betroffenen zu teilen.



Liebe Lena, wie startest du einen ganz normalen Tag?
Ich stehe kurz vor knapp auf, putze meine Zähne, ziehe mich an und renne los zur Arbeit. Meistens fahre ich mit dem Bus. Da lese ich oder ich schaue einfach aus dem Fenster. Es ist alles sehr knapp bemessen, aber ich arbeite zurzeit abends bis 22:45 Uhr, da möchte ich morgens so lange schlafen wie es geht. Ach so – Frühstück: Ich renne unterwegs noch schnell zum Bäcker und esse das Brötchen dann unterwegs.

Du bist ausgebildete Balletttänzerin. Wie hast du den Weg zu Parkinson gefunden?
Parkinson kam von alleine zu mir! Ich habe in Nürnberg meine Ausbildung gemacht und dort auch eine Zeit lang Tanz unterrichtet. Aber ich brauchte einen Wechsel, deshalb suchte ich eine Arbeitsstelle in Freiburg. Als ich in einem Tanzstudio Probeunterricht gab, kam ein Mann herein, der nach Räumen für ein Projekt der Universität zu Tanz und Parkinson suchte. Das war das erste Mal, dass ich von Parkinson hörte und jemanden mit Parkinson bewusst erlebte.

Eine Weile später, ich hatte inzwischen die Zusage für den Job bekommen, fuhr ich wieder nach Freiburg, um das Team dort kennenzulernen. Da stand auf einmal derselbe Mann von damals wieder im Studio. Er hatte sich in der Zwischenzeit nicht mehr gemeldet. Es war also purer Zufall, dass er ins Studio kam, als ich auch dort war. Dieses Mal fragte er nach einem Raum und einer Lehrerin. Meine Chefin wusste, dass ich eine Ausbildung in Tanzmedizin hatte und fragte, ob ich das nicht machen könnte. Da ich keine Ahnung von Parkinson hatte, einigten wir uns schließlich darauf, es einfach gemeinsam auszuprobieren.

In der Zeit recherchierte ich sehr viel zu Parkinson und Tanz. Ich landete zum Beispiel auf der Webseite von Mark Morris: Dance for PD. All dieses Wissen floss in die Arbeit mit den Kursteilnehmern ein. Sie gaben mir viele Tipps und Feedback zu neuen Übungen, die ich mir ausgedacht hatte. Nach zwei Jahre hatte ich mit ihrer Unterstützung ein eigenes Programm für Tanz und Parkinson entwickelt. Es war mit der Gruppe ein sehr fruchtbares Geben und Nehmen. Sie führte sogar einen Tanz bei den Feierlichkeiten am Welt Parkinson Tag auf. Das war ein wunderbares Highlight meiner Zeit in Freiburg.

Tanz für Menschen mit stark eingeschränkter oder unkontrollierter Mobilität anzubieten ist auf den ersten Blick ungewöhnlich. Ist es das wirklich?
Tanzen macht vieles möglich. Es überrascht die Teilnehmer, wieviel doch noch für sie möglich ist. Tanzen ist Heilung für die Seele und gibt dem Menschen viel Kraft. Außerdem kann man auch tanzen, ohne sich zu bewegen, auch wenn der Körper ganz steif ist. Die Freude, die man dabei erlebt macht viel mehr möglich, als man glauben mag. Gerade Menschen mit Parkinson hilft die Musik. Der Rhythmus und das Zählen hilft zum Beispiel das Freezing zu überwinden.




Bewegung ist ja eine sehr wichtige Säule in der Parkinson-Therapie. Empfohlen wird Nordic Walking, Yoga oder Chi Gong. Was ist denn das Besondere an Tanz als Begleittherapie für Parkinson?
Die Tanztherapie vereint viele Elemente aus verschiedenen Tanzformen, wie Ballett, Stepptanz, Standardtanz, etc. Es gibt also eine Fülle von Bewegungen, die genutzt werden können. Wichtig ist auch die Verknüpfung von Bewegung mit Musik. Musik drückt Lebensfreude und Lebensgefühl aus. Das überträgt sich auf die Menschen und hilft ihnen ihre Gefühle auszudrücken. Der Großteil der Kursteilnehmer sind ältere Menschen. Ich wähle deshalb bewusst Musik aus ihrer Jugend aus, wie zum Beispiel von den Beatles. Sie können dann schöne Erlebnisse aus ihrer Jugendzeit nachfühlen, oft singen sie sogar mit.

Die Tanztherapie lässt auch viel Raum für Improvisation. Jeder Einzelne kann Spaß an der Bewegung nach seiner Idee haben und muss nicht auf Regeln achten. Wichtig ist auch, dass die Teilnehmer Stolz empfinden können. In der heutigen Stunde haben wir zum Beispiel gemeinsam eine eigene kleine Choreografie entwickelt. Darauf können die Teilnehmer richtig stolz sein.

Könntest du kurz skizzieren, wie eine Stunde bei dir abläuft?
Eine Tanzstunde dauert 75 Minuten. Wir sitzen im Kreis auf Stühlen und begrüßen uns und lernen uns kennen, indem jeder eine Bewegung mit seinem Namen kombiniert und wir sie gemeinsam ausführen. Danach wärmen wir uns auf und nehmen Kontakt mit unserem Körper auf, indem wir nach und nach die einzelnen Körperteile wachrubbeln. Und dann machen wir weiter mit Isolationsübungen. Ich habe zu jeder Stunde ein Repertoire an Übungen vorbereitet, dass ich an die Stimmung in der Gruppe anpassen kann. Zum Beispiel wenn die Gruppe gut gelaunt ist, machen wir Übungen für die Ausdauer, entwickeln gemeinsam eine Choreografie, was die Konzentration fördert, und machen etwas Lustiges. Wenn die Gruppe aber müde ist, dann bleiben wir auf den Stühlen sitzen und die Übungen sind auch ruhiger. Wenn ich merke, dass Gesprächsbedarf besteht, dann verbinde ich das mit Bewegung. Oft verläuft die Stunde ganz anders als geplant. :-)

Mir ist aufgefallen, dass auch Tanzpädagoginnen an dem Kurs teilnehmen.
Ich lade gerne Tanzpädagoginnen ein bei mir zu hospitieren. Oft sind das Frauen, die sich für dieses Thema interessieren und die sich mit Tanz und Parkinson auseinandersetzen möchten. Außerdem können sie mich unterstützen, wenn wir zum Beispiel schwierigere Übungen oder Paarübungen machen.

Werden deine Kurse von den Krankenkassen gefördert?
Die Kassen sind zurzeit im Prozess das zu überprüfen. Ich hoffe sehr, dass es klappt. In der Zwischenzeit suche ich Sponsoren für die Raummiete, damit die Teilnehmer*innen möglichst wenig Kosten tragen müssen.

Was inspiriert dich bei den Kursen?
Diese Arbeit macht mir sehr großen Spaß! Als ich nach Hamburg zog, nutzte ich die Gelegenheit und begann den Tanz mit Parkinson nach dem Modell in Freiburg aufzubauen. Die Stimmung in den Kursen ist toll und das Feedback, das ich von den Teilnehmern bekomme, baut mich auf. In diesen Kursen herrscht eine ganz andere Atmosphäre als im Ballettunterricht. Es entsteht eine schöne Kommunikation und schafft eine tiefe Bindung mit den Menschen. Natürlich gibt es immer wieder Herausforderungen. Es ist nicht leicht mit dieser Erkrankung umzugehen, wenn man sie nur von außen sehen kann und nicht erfahren kann, wie sie sich anfühlt.

Du bildest dich ja in Sachen Tanzpädagogik und Parkinson sehr intensiv fort. Bedeutet es, dass du diesen Bereich weiter ausbauen wirst?
Auf jeden Fall! Ich mache gerade eine Ausbildung zur Integral therapeutischen Tanzpädagogin. Die Ausbildung gibt mir sehr viel Input zu psychischen Prozessen, was gerade für Parkinson sehr wichtig ist. Sie gibt mir auch die notwendige Qualifikation, die ich benötige, wenn ich den Bereich ausbauen möchte.

Wie erklärst du die Erkrankung jemandem, der noch nie davon gehört hat?
Im Gehirn wird Dopamin produziert. Viele Menschen wissen nicht, dass das Glückshormon Dopamin auch für die Bewegung zuständig ist. Wenn dieser Stoff aber fehlt, sind die Bewegungsabläufe sehr stark eingeschränkt und man hat keine Kontrolle mehr darüber. So kann es passieren, dass jemand plötzlich keine Hindernisse mehr überwinden kann, nicht einmal die kleinsten, wie zum Beispiel Treppenstufen oder die Türschwelle.  Es kann aber auch sein, dass jemand ständig in Bewegung ist und nicht mehr damit aufhören kann.

Möchtest du noch etwas loswerden?
Ich freue mich sehr, dass du heute bei dem Kurs warst und mitgemacht hast! Dieses Projekt läuft erst seit weniger als zwei Monaten und es ist in der kurzen Zeit schon so viel passiert. Ich habe sehr viele Leute kennengelernt und es haben sich neue Möglichkeiten ergeben. Zum Beispiel ist jetzt ein Kurs für Menschen geplant, die Jung an Parkinson erkrankt sind. Wer Interesse hat, kann sich gerne bei mir über meine Webseite oder Facebook melden.