Menschen, die an chronischen Erkrankungen leiden, haben für jeden Tag nur begrenzt Energie zur Verfügung. Wenn der Akku leer ist, dann bleibt er leer für den Rest des Tages und die Person ist unkonzentriert, müde und nicht mehr in der Lage die einfachsten Tätigkeiten zu verrichten. Um dieses Phänomen bildhaft zu demonstrieren, hat Christine Miserandino aus den USA sich die Löffeltheorie ausgedacht. Dieses Video und diese Beschreibung erklären die Theorie sehr ausführlich, deshalb fasse ich die Theorie hier einfach mal kurz zusammen:

Ich wache morgens auf und merke (oder manchmal auch nicht), dass ich für den ganzen Tag 12 Löffel zur Verfügung habe. Jeder Löffel symbolisiert die Energie, die eine Person für das Ausführen einer Tätigkeit benötigt. Man braucht zum Beispiel einen Löffel für das Aufstehen, einen für die Dusche und und einen für's Telefonieren. Und schwupp, bleiben mir nur noch 9 Löffel für den Rest des Tages. Ihr seht, ich muss mir die Löffel sehr genau einteilen - da kann man manchmal in Entscheidungsnot geraten. Schlimm ist es, wenn man diesen Punkt überschreitet und ins Minus gerät. Dann verbraucht man schon Teile der Ration für den nächsten Tag und hat deshalb später noch weniger Löffel zur Verfügung. Das habe ich zum Beispiel bei meinem Urlaub vor zwei Wochen deutlich gemerkt:

Ich habe zusammen mit meinem Liebsten eine sechstägige Wandertour unternommen. Das machen wir jedes Jahr im Herbst und ich freue mich immer riesig darauf. Den ganzen Tag lang gleichmäßig bewegen, während mir frische Luft um die Nase weht und meine Gedanken davon treiben  - für mich ist das Erholung pur.

Seitdem sich der Parkinson bei mir stärker bemerkbar gemacht hat, sind wir dazu übergegangen, Angebote mit Gepäcktransport zu buchen. Die Route steht fest, die Hotelzimmer sind reserviert, Kartenmaterial und Wegbeschreibung inklusive. Ich nenne das Luxuswandern. Bei der Wanderung vor zwei Wochen stellte sich aber heraus, dass die Kilometerangaben der Tagesetappen um rund einen Drittel kürzer angegeben waren als sie tatsächlich sind. Am ersten Tag sind wir trotz Abkürzungen ganze 25,5 Kilometer gelaufen - für mich eine Meisterleistung. Ihr könnt euch vorstellen wie platt ich am Ende des Tages war. Nach dieser Erfahrung begannen wir dann die Etappen rigoros auf unter 20 Kilometer zu kürzen.

Was mir und meinem Partner im Laufe der Woche aufgefallen ist: Körperlich wurde ich immer fitter und beweglicher, so dass ich mit immer größerem Schwung in die jeweilige Etappe startete - die Energie, die mir zur Verfügung stand, ließ aber von Tag zu Tag stetig nach. Schließlich ließ ich die letzte Etappe ausfallen und ruhte mich lieber aus. Übertragen auf die Löffeltheorie heißt das: Ich hatte am ersten Tag 12 Löffel verbraucht, obwohl mir nur 10 zur Verfügung standen. Am zweiten Tag startete ich dann mit 10 statt mit 12 Löffeln, verbrauchte aber wieder 12. Und so setzte sich das Tag für Tag fort.

Es ist nicht einfach jemandem ohne chronische Erkrankung zu erklären, was genau in uns vorgeht. Und warum es wichtig für uns ist, mit unserer Energie hauszuhalten und den Tag ruhiger anzugehen.

Da entstehen dann oft sehr kreative Ideen. Manche sind sehr hilfreich, manche führen zu Verwirrungen und manche lassen neue Bezeichnungen entstehen, wie "Spoonie". Ein Wort, dass sich als Sammelbegriff für alle Leute mit chronischen Erkrankungen bereits in den (englischsprachigen) sozialen Medien etabliert hat und man sich fragt, wie diese seltsame Bezeichnung bloß entstanden ist. Nun wissen wir es.

Als "Spoonie" möchte ich mich ehrlich gesagt ungern bezeichnen - also vom Wort her - auch wenn die Theorie dahinter sehr hilfreich ist und ich sie (in leicht abgewandelter Form) schon genutzt habe. Ich bleibe einfach ganz schlicht eine Parkie.